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St. Amandus – Aschendorf

Geschichte

Der Ort ASCHENDORF wird in der Mitte des 9. Jahrhunderts in der 2. Lebensbeschreibung des hl. Bischofs Luidger von Münster erstmals erwähnt (Ascanthorpe). Der mündlichen Überlieferung nach gründete St. Luidger hier Ende des 8. Jahrhunderts eine Kirche, die er auf seinen Missionsreisen nach Friesland nutzte. Archäologische Grabungen im Umfeld der Kirche stützen die Vermutung, dass der Kirchhügel bereits aus dem 8. Jahrhundert stammt. Im Verlauf des 9. Jahrhunderts wurde die Pfarrei dem Kloster Corvey geschenkt mit allen zugehörigen Besitzungen. Ein Verzeichnis der Besitzungen des Klosters aus dem 12. und 13. Jh. listet Aschendorf mit seinen abhängigen Kirchen gesondert von Meppen auf. Wann diese Schenkung stattfand, ist dokumentarisch nicht belegbar. Dafür in Frage kommen die Kaiser Ludwig der Deutsche (843-876), der Corvey das heute holländische Gebiet Westerwolde schenkte, oder Kaiser Amulf (887 – 899), der 890 seine Eigentumsansprüche in Herbrum dem Bischof Wigbert von Verden vermachte. Eine Kirche wird um 1100 erwähnt, das Amandus-Patrozinium 1514. Vor 1296 wurden Heede und Rhede abgepfarrt, im 13. Jh. Völlen (Ostfriesland) und am 7.12.1680 Papenburg. – Das Corveyer Patronat ging 1803 an den Prinzen von Oranien-Nassau, 1805 an den Herzog von Arenberg über. Dieses Patronat ist 1980 abgelöst.

Die St. Amanduskirche ist im 13. Jh. als romanische Kreuzkirche erbaut (ähnlich der in ihrer ursprünglichen Gestalt erhaltenen Tochterkirche in Stapelmoor). Ausgrabungen anlässlich der Kirchenrenovierung im Jahre 2001 brachten die Erkenntnis, dass auf dem Kirchplatz zuvor schon 5 Vorgängerkirchen gestanden haben, von denen zwei abgebrannt waren. Alle diese Gotteshäuser waren Holz- Fachwerkbauten gewesen, deren Spuren deutlich im Boden sichtbar wurden. Auffallend viele Bestattungen haben bis in die Neuzeit hinein im Kircheninnern stattgefunden; bemerkenswert, weil bislang in Norddeutschland noch nicht gefunden, waren die „Traufgräber“ zur Bestattung von Kleinkindern. 1498 wurde die Kirche gotisiert und zu einer Hallenkirche mit zwei neuen Jochen erweitert, der rechteckige Chor abgebrochen und ein spätgotischer Chor angefügt. Der Turm wurde erhöht. Von diesem Umbau zeugt die Jahreszahl am Fuß des Turmes auf der Nordseite: 1498. Der Turm ist 29 m hoch und hat eine quadratische Grundfläche von 7 m, die Höhenmarke am Turm zeigt 6,625 m über NN an.

Mit dem Wachsen der Pfarrgemeinde stellte sich bereits 1886 die Frage nach der Erweiterung der Kirche. Zwei bereits fertige Baupläne wurden 1914 durch den 1. Weltkrieg und 1923 durch die Inflation hinfällig. 1969 wurde die Erweiterung der Kirche nach Osten – das schöne spätgotische Chor von 1498 musste leider geopfert werden – nach den Plänen des Architekten Hans Ostermann/Münster beschlossen und durchgeführt. Die Fenster in der alten und neuen Kirche sind alle von Manfred Espeter/Münster gestaltet, zurückhaltend in der Farbgebung mit Rücksicht auf die vorhandene reiche Kunstausstattung der Kirche.

Mit den Renovierungsmaßnahmen ab dem Jahr 2000 wurde der gotische Haupteingang im Turm der Amanduskirche wieder geöffnet, dafür die Seiteneingänge aus dem 19. Jh. geschlossen. Die Gebäudeteile „Alte“ und „Neue“ Kirche sind nun mit einer Glaswand voneinander getrennt, sodass die AMANDUSKIRCHE aus zwei – relativ – eigenständigen Bauteilen besteht.

Zur Amanduskirche gehört ein reicher Schatz an Kunstwerken und altem Kircheninventar. Im Turm steht ein Taufbecken aus Granit, das bei Gestaltungsarbeiten auf dem Kirchvorplatz wieder gefunden wurde und aus dem 11. Jh. stammt.  Im Mittelgang der neuen Kirche hat jetzt der nur wenig jüngere Taufstein (Sandstein, Bentheimer Typ, 12. Jh.) seinen Platz gefunden. Im Turm der Kirche befindet sich eine der ältesten Glocken des Emslandes, die sogen. „Uhrglocke“, 1307 in Aschendorf in den „Klockengoeren“ bei Cramer und Heiken, unmittelbar beim Friedhof, gegossen. Sie trägt die Innschrift: “ Anno Dni. MCCCVII in Festo Palmarum me fudit Johes. in honorem B.V. Mariae“. Seit 1977 läutet diese Glocke wieder – nachdem sie 1945 im April durch einen Einschuss gesprungen war und 1976 geschweißt wurde.

An der Rückwand der neuen Kirche befanden sich gotische Reliefs (um 1460 bis 1520) mit Darstellungen aus dem Leben und Leiden Christi und der Mutter Gottes. Diese Reliefs gehörten bis 1755 zu den Altären der Kirche. Von 1755 bis 1813 dienten sie als Kreuzwegstation in der Franziskaner-Klosterkirche. Jedes Jahr in der Fastenzeit und besonders am Karfreitag waren sie das Ziel vieler Prozessionen aus der Umgebung. Diese Reliefs sind in den letzten Jahren durch die Fa. Ochsenfarth/Paderborn restauriert und nach der Renovierung der Kirche auf Vorschlag des Vechtaer Kirchenkünstlers Bocklage an drei Sandsteinstelen angebracht worden. Sie haben in der gotischen Zeit zu drei Altarwerken gehört. Zum Marienaltar auf der linken Stele gehören vier, zum mittleren und umfangreicheren Passionsaltar 18 und zum rechten, der biblische Geschichten nach Jesu Auferstehung erzählt, zehn Schnitzwerke. Die Schnitzereien wurden nicht wie ein Leitfaden der biblischen Erzählungen angebracht, sondern nur nach künstlerischen, konzeptionellen Gesichtspunkten. Vom Niedersächsischen Amt für Denkmalschutz war der Kirchengemeinde empfohlen worden, so vorzugehen, um den Eindruck zu verhindern, in Aschendorf wären die originalen gotischen Altäre wieder aufgestellt worden.

Zur spätgotischen Ausstattung der Amanduskirche gehören noch die kleine Pieta, ein Gnadenstuhl und zwei Reliefs der heiligen Apostelfürsten Petrus und Paulus. An einem Pfeiler hängt das Epitaph des münsterischen Leutnants Ferdinandt Franz Braunhagen (Sterbedatum: 1.2.1686). Hergestellt wurde es in der Kunstwerkstatt Berndt Meiering/Rheine.

Bei der jüngsten Sanierung ist die Alte Kirche im Wesentlichen auf ihr gotisches Inventar reduziert worden. Zu der ehemals reichhaltigen barocken Ausstattung der Kirche gehörten neben einer barocken Kanzel, den barocken Altären und Kommunionbänken u.a. fünf Plastiken des Münsteraner Bildschnitzers Wilhelm Heinrich Kocks (um 1700). Es sind dies die „Anna-Selbdritt-Gruppe“, die noch erweitert ist um die Figuren des hl. Johannes mit seinem Erkennungsattribut, dem Lamm. Weiter die Statuen des hl. Johannes v. Nepomuk („der Brückenheilige“), der hl. Antonius v. Padua, der hl. Joseph als „Nährvater Jesu“ und die Maria in die Schriften einweisende hl. Anna. Man kann in älteren Beschreibungen lesen, dass diese Statuen auch nach 1813 aus dem ehemaligen Franziskanerkloster übernommen wurden.

Der spätbarocke Hochaltar, aufgestellt in der neuen Kirche, stammt aus der Werkstatt des Aschendorfer Meisters Franz Rudolph Joelemann (Jöllemann), 1755 für 450 Rthlr. Er war ein Sohn des bekannten Bildschnitzers und Altarbaumeisters Thomas Simon Jöllemann aus Holte. Die vier Statuen auf dem Altar (Kirchenpatron St. Amandus, St. Joh. v. Nepomuk, St. Franziskus Xaverius und St. Antonius v. Padua) sind vom Bildhauer König/Münster, 1755. Die Altarbilder (Aufnahme Mariens in den Himmel und Krönung) sind beide gemalt von Matthias Kappers (Koppers) aus Münster, der dort zusammen mit seinem Bruder eine Malerwerkstatt betrieb. Der Hochaltar ist 1970 von der Fa. Ochsenfahrt/Paderborn renoviert.

In den Jahren 2009/2010 hat die große Kirche eine grundlegende Sanierung erfahren. Der Architekt Goda/Quakenbrück hat bereits die Sanierung des Turmes und die Renovierung der Alten Kirche begleitet. Die großen Fensterflächen sind renoviert und das Bleiglas ist neu gefasst worden. Elektrik und Akustik wurden komplett erneuert.

Der Altarraum hat entsprechend dem Grundriss des Raumes eine neue rechteckige Anordnung erhalten. Ambo und Priestersitz sind vom Künstler Bocklage in Entsprechung des bereits vorhandenen Zelebrationsaltares aus Travertin neu gefertigt worden.

Die große Kirche hat bei dieser Renovierung einen Teil der barocken Innenausstattung aus der Alten Kirche bzw. aus dem ehemaligen Franziskanerkloster Aschendorf in sich aufgenommen. Über den Chorstühlen des ehemaligen Klosters befinden sich an der Ostseite die beiden großen Barockgemälde Annaselbdritt (um 1676 von Jean von Baelen) und Madonna mit Kind, verehrt von Stifterehepaar und dessen Namenspatron St. Johann Bapt. und St. Clara (um 1650, von Caspar de Crayer). Die Gemälde sind Schenkungen des Herzogs von Arenberg im Jahre 1837. – Weitere zwei Gemälde, die Franziskanerheiligen Paschalis Baylon und Johannes von Capestrano darstellend (um 1700), stammen ebenfalls aus dem ehemaligen Franziskanerkloster und sind zur Zeit nicht aufgestellt.

Zum Erbe des ehemaligen Franziskanerklosters gehören auch die beiden Seitenaltäre (links: Marienaltar; rechts: Josephsaltar), die mit der Renovierung ihren neuen Platz in der großen Kirche gefunden haben. Das Franziskanerkloster stiftete Fürstbischof Ferdinand von Münster 1679 in Aschendorf, das in der Gegenreformation mit dem Meppener Jesuitenkloster von großer Bedeutung im emsländischen und ostfriesischen Raum war. Es wurde 1812 säkularisiert und 1839 abgerissen. Es stand an der Großen Straße, am damaligen Südrand des Ortes. Aus diesem Kloster kamen neben den beiden Seitenaltäre mit den Kommunionbänken, die Kanzel und ein Beichtstuhl ebenfalls in die Pfarrkirche.

1755 gab es ein großes Brandunglück, das von der Klosterkirche ausging und 50 Häuser im Dorf zerstörte. Beherzte Menschen werden aus der Kirche die Figuren hl. Barbara und hl. Agata sowie hl. Johannes v. Capistrano und hl. Paschalis Baylon gerettet haben, denn diese sind in der Schnitzerwerkstatt Gröninger in Rheine für die Einweihung der Klosterkirche (1705) geschaffen. Nach dem Wiederaufbau der Kirche bekam das Kloster die obige spätbarocke Ausstattung. Die zentralen Figuren Maria (Marienaltar: dazu jetzt hl. Barbara und hl. Agata) und Joseph (Josephsaltar: dazu hl. Johannes v. Capistrano und hl. Paschalis Baylon) schuf der Bildhauer Anton Joseph Stradtmann aus Geseke.

Weitere Sehenswürdigkeiten bei einem Rundgang in Aschendorf sind das Amtshaus Nienhaus, Gut Altenkamp mit der Michaeliskapelle und dem Barockgarten sowie das Heimatmuseum und der gegenüberliegende Friedhof.